Friday, October 30, 2009

Die Furchen auf Furchensteinen sind Furchen, keine Regmaglypten

Zu diesem Thema habe ich bereits letztes Jahr auf dem Stratigraphy.net Blog einen Beitrag gepostet. Da dieser mittlerweile eine Reaktion des CIRT hervorgerufen hat, hier noch einmal eine kurze Zusammenfassung auf Deutsch.

Im Sommer 2008 habe ich einen schönen Spaziergang am Chiemsee unternommen, um dort ein paar der Furchensteine zu sammeln. Diese von auffälligen Furchen durchzogenen Steine kommen sehr häufig im Chiemsee und in anderen alpinen und voralpinen Seen vor. Die biogenen Prozesse, die zur Entstehung der markanten, hirnartigen Muster führen, sind schon seit langem bekannt und in der wissenschaftlichen Literatur sehr gut beschrieben.
Umso erstaunter war ich auf der Chiemgau Impact Seite in einem der Online-Artikel zu lesen, dass ausgerechnet diese Furchensteine als Argumentationshilfe für einen Chiemgau Impakt angeführt wurden. Dort wurde ein schönes Exemplar nämlich als Regmaglypt vorgestellt.

Regmaglypten sind grubenförmige Abtragungserscheinungen auf der Oberfläche von Meteoriten,
die dort durch die große Hitzeeinwirkung und andere Prozesse beim Durchfliegen der Erdatmosphäre entstanden sind. Ein typisches Merkmal sind kleine Gruben, die aussehen wie der Abdruck von Fingerkuppen in weichem Ton. Solche Regmaglypten sind ausschließlich an echten Meteoriten bekannt, nicht an irdischen Gestein.

Der anonyme Autor dieses Online-Artikels erklärt die Entstehung von Regmaglypten an den sehr irdischen Chiemseegeröllen wie folgt:
Nach dem Einschlag eines Himmelskörpers seien große Mengen an Gestein empor geschleudert worden. Diese hätten die Explosionswolke des Einschlagskörpers durchflogen und dort hervorgerufen durch die hohen Temperaturen und dynamischen Druck die typische Musterung als Furchensteine erhalten.

Diese Erklärung ist mehr als nur unwahrscheinlich. Selbst bei den ganz großen Einschlägen wie dem Chicxulub gibt es keinerlei vergleichbare Erscheinungen. Dagegen sind die biogenen Faktoren -vornehmlich in Verbindung mit Kalkalgen- die zur Entstehung von Furchensteinen führen, seit Jahrzehnten hervorragend nachgewiesen und dokumentiert.

Während meines Spazierganges am Chiemseeufer bei Chieming, konnte ich zahlreiche Furchensteine bereits im Uferbereich finden. Sie kommen dort massenhaft in einer Häufigkeit von bis zu 40 Exemplaren pro Quadratmeter vor. Ich konnte sowohl schön ornamentierte, trocken liegende Exemplare sehen, als auch Exemplare im Chiemsee selbst. Letztere belegen gut die Entstehung der Furchensteine in situ (an Ort und Stelle). Diese von Wasser bedeckten Furchensteine sind nicht leicht zu erkennen, da sie häufig von einer Kalkkruste überzogen sind und damit eher an einen schmutzigen Blumenkohl erinnern. Aber gerade diese Kruste zeigt, dass die Prozesse, die zur Bildung von Furchen führen, immer noch stattfindet. Denn dieser Überzug wird von Kalkalgen erzeugt, die mitverantwortlich für die Entstehung der Furchen sind (mehr zur genauen Entstehung werde ich noch in einen eigenen Artikel schreiben).

Diese Kruste kann man leicht abkratzen, die grünliche Farbe die dabei zum Vorschein kommt zeigt die Algentätigkeit gut an. Unter der Kruste kann man auch sehr schön die Furchen selbst sehen, die sich bevorzugt an den Rändern der röschenförmigen Algenbüschel orientieren.
Für mich gibt es jedenfalls keinen Zweifel mehr, dass die Furchensteine vom Chiemsee biogenen Ursprungs sind. Andere Erklärungen, insbesondere jene die ein katastrophales Ereignis erfordern, entbehren jeder Grundlage. Die Furchen der Furchensteine des Chiemsees sind keinesfalls Regmaglypten.

Sunday, October 25, 2009

Haben die 'Krater' des sogenannten Streufelds eine gemeinsame Ursache?

Um für eine Vielzahl auffälliger Geländeformen ein einziges, gemeinsames Ereignis verantwortlich zu machen, müssen diese natürlich auch zur selben Zeit entstanden sein. Eigentlich eine triviale Erkenntnis. Um die mehr als 80 Geländeformen also auf einen 'Chiemgau Impact' zurückzuführen, sollte man also versuchen eine möglichst exakte Alterdatierung an möglichst vielen 'Kratern' zu durchzuführen.

Das CIRT (Chiemgau Impact Research Team) hat hierzu bereits auch erhebliche Anstrengungen unternommen. Nachdem sie sich bereits im Astronomy Artikel aufgrund archäologischer Funde grundsätzlich auf die Keltenzeit als Einschlagszeitpunkt festgelegt hatten, legen nun Rappenglück et al. (2009) in einem Konferenzbeitrag unter anderem auch absolute Zeitbestimmungen vor und unternehmen den Versuch einer näheren zeitlichen Zuordnung des postulierten Ereignisses. Hierbei werden wie bereits erwähnt absoluten Datierungen, sowie archäologische Befunde vorgelegt, aber auch Ausflüge in die Welt der Mythen unternommen. Ich möchte hier zunächst die ersten beiden Methodiken näher betrachten, anhand derer Altersbestimmungen an 3 verschiedenen Fundorten gemacht wurden:



Altersdatierungen für den Chiemgau Impact auf einer größeren Karte anzeigen
  • Tüttensee:
    • Eine absolute Altersdatierung an einem in die sogenannte Brekzie eingelagertem Holzstück ergab ein Alter von 2900 v. Chr.
    • Tonscherben aus der sogenannten Ejektalage werden auf ein Alter von ca. 1300 v. Chr. geschätzt
    • Artefakte die am Rand des Tüttensees gefunden wurden werden auf ein Alter von ca. 300 v. Chr. geschätzt.
  • Krater 005
    • Eine absolute Altersdatierung an einem Holzkohlestück aus dem Grunde des ‚Kraters’ ergab ein Alter von 200 n. Chr. (Obwohl das Zitat fehlt beziehen sich diese Angaben wohl auf die Arbeit von Fehr et al. (2005) die ein Alter dieses Kraters von vor 134-200 n Chr. angeben.)
  • Stöttham
    • Scherben aus der sog. Impaktlage werden auf ein Alter von ca. 700-500 v.Chr. geschätzt
    • Eine römische Pflasterung über der sog. Impaktlage wurde ca. 100-200 n. Chr. geschätzt
Zusammenfassend zeigen Rappenglück et al. (2009), dass die Funde am Tüttensee den Zeitraum von 2900 v Chr. bis etwa 300 v. Chr umfassen. Das dort am besten belastbare Alter ist die absolute Datierung von 2900 v. Chr. Die Altersbestimmung am Krater 005 ergab ein wesentlich jüngeres Alter um 200 n. Chr. In Stöttham konnte man das Alter der sogenannten Ejektalage zwischen 700 v. Chr und 200 n. Chr einordnen.

Statt nun diese sehr stark voneinander abweichenden Altersbestimmungen der einzelnen Lokationen differenziert zu betrachten, werfen Rappenglück et al. kurzerhand alle Zahlen in einen Topf, ignorieren die absoluten Datierungen am Tüttensee und Krater 5 und konstruieren daraus ein Alter des sogenannten Chiemgau Impact das zwischen 1300 v. Chr und 300 v. Chr. liegen soll. Die Autoren gehen noch einen Schritt weiter und nehmen Bezug auf die Welt der Mythen (Phaeton) um eine genauere zeitliche Einstufung des postulierten Ereignisses zwischen 700-300 v Chr. vornehmen zu können.

Diese Vorgehensweise ist natürlich -gelinde gesagt- äußerst kreativ. Bei unvoreingenommener Betrachtungsweise müßte man angesichts der Einzelbefunde vielmehr stutzig werden. Die absoluten Altersbestimmungen vom Tüttensee und Krater 005 liegen doch über 3000 Jahre auseinander. Selbst die Datierungen aufgrund archäologischer Funde innerhalb der sog. Ejektalagen von Stöttham und Tüttensee liegen noch mehrere Jahrhunderte auseinander. Und das Alter des Kraters 005 passt so ganz und gar nicht ins Bild.

Wenn die Autoren Ihrer Methodik noch trauen, müßten sie nun wohl in Betracht ziehen, daß die untersuchten Geländeformen womöglich gar nichts miteinander zu tun haben. Um eine gemeinsame Ursache bzw. Entstehungsgeschichte dieser Geländeformen postulieren zu können braucht man jedenfalls eine deutlich bessere Datenlage. Der sogenannte Krater 005 und der Tüttensee können aufgrund der von Rappenglück et al. (2009) und Fehr et al. (2005) nachgewiesenen unterschiedlichen Alter unmöglich eine gemeinsame Ursache haben.


Literatur:


Rappenglück, B.; Ernstson, K.; Mayer, W.; Neumair, A.; Rappenglück, M. A.; Sudhaus, D.; Zeller, K. W. (2009): The Chiemgau Impact: An Extraordinary Case Study for the Question of Holocene Meteorite Impacts and their Cultural Implications. Cosmology Across Cultures ASP Conference Series, Vol. 409, proceedings of the conference held 8-12 September, 2008, at Parque de las Ciencias, Granada, Spain. Edited by José Alberto Rubiño-Martín, Juan Antonio Belmonte, Francisco Prada, and Antxon Alberdi. San Francisco: Astronomical Society of the Pacific, 2009., pp. 338-343

Fehr, K. T.; Pohl, J; Mayer, W.; Hochleitner, R.; Fassbinder, J..r.g.; Geiss, E.; Kerscher, H. (2005): A meteorite impact crater field in eastern Bavaria? A preliminary report. Meteoritics & Planetary Science, Volume 40, Issue 2, pp. 187-194

Wednesday, October 21, 2009

Kommt die Publikation?

Eine Interessante Meldung veröffentlichte soeben das Oberbayrische Volksblatt: Anlässlich einer Ausstellungseröffnung im Grabenstätter Rathaus zum Chiemgau Impact kündigte das CIRT die baldige Veröffentlichung ihrer These in einer 'sehr renommierten internationalen Fachzeitschrift' an. Seitens dieser Zeitschrift sei bereits eine Publikationszusage erfolgt.

Tuesday, October 20, 2009

Chiemgau-Impact-Mania

Was ist eigentlich der Chiemgau Impakt? Die deutsche Ausgabe der Wikipedia erläutert hierzu: 'Der Chiemgau-Impakt ist der hypothetische Einschlag eines Kometen, der nach dem Eindringen in die Erdatmosphäre in der Luft explodiert sein soll und dessen Trümmer angeblich im Chiemgau niedergingen'.

Der Öffentlichkeit wurde dieses Ereignis erstmals 2004 in der populärwissenschaftlichen Zeitschrift Astronomy in einem Artikel mit dem Titel: 'Did the Celts see a comet impact in 200 b.c.' vorgestellt. Die Autoren, die unter dem Pseudonym 'CIRT' auftraten, postulierten aufgrund verschiedener Indizien in Südostbayern ein ausgedehntes Kraterfeld mit mindestens 81 Einzelkratern. Diese Krater sollten durch die Einschläge von Fragmenten eines großen, in der Atmosphäre zerborstenen Asteroiden oder Kometen entstanden sein und eine Fläche von 58x27 Kilometern einnehmen. Auch der Tüttensee, ein schöner Badesee im Chiemgau soll einer dieser Krater sein. Der Einschlag soll entsprechende katastrophale Folgen nach sich gezogen haben, zeitlich wurde dieses Katastropheszenario etwa in die Keltenzeit, vor etwa 2500 Jahren, eingeordnet. Diese Veröffentlichung zog ein bemerkenswertes Presseecho nach sich und zahlreiche Artikel erschienen in Tageszeitungen und Wochenzeitschriften. Das Medieninteresse war so groß, daß auch einige Fernsehberichte entstanden, die das Thema teilweise etwas bunt ausschmückten.

Erstaunlicherweise ist bis heute keine Arbeit der 'Entdecker' zu diesem Ereignis in einer ernstzunehmenden geowissenschaftlichen Fachzeitschrift erschienen. Das so genannte CIRT beschränkte sich vielmehr darauf ihre Ergebnisse im Internet und über die Medien zu verbreiten. Aus der Fachwelt gibt es lediglich eine Arbeit (Fehr et.al, 2005) die einige kraterähnliche Strukturen weiter östlich bei Burghausen behandelt. Sie kommt immerhin zum Schluß, man könne einen Impact dort nicht völlig ausschließen.
Interessanterweise hat diese Nichtveröffentlichung von Ergebnissen die Folge, daß der so genannte Chiemgau Impact für die Fachwelt gar nicht existiert. Durch das Medienecho sah man sich aber gezwungen Stellung zu beziehen. Die Creme der Impaktforscher hat sich geschlossen gegen eine Impaktthese ausgesprochen und dies in einer Presseerklärung verbreitet was eine heftige Reaktion desCIRT auslöste. Spätestens seitdem werden Einwände gegen die Impaktthese scharf kritisiert und auf der Chiemgau Impakt homepage teils sehr polemisch abgehandelt.
Der unerfreuliche Umgang mit Kritikern liegt wohl zum größten Teil an den wenig belastbaren Indizien der Impaktthese. Hier wurden selbst eindeutige geologische Befunde nach Gusto umgedeutet. So werden etwa Toteislöcher zu Einschlagskratern oder Bodenhorizonte zu Impaktlagen erklärt und äußerst dickhäutig verteidigt. Die Argumentationskette des CIRT läuft dazu meist nach dem Muster: eine andere Erklärung für dieses oder jenes Phänomen als einen Impakt könne man sich nicht vorstellen und man möge ihnen doch bitte das Gegenteil beweisen.

Diese so genannten Beweise werden den Chiemgauern in zahlreichen Vorträgen und in der Lokalpresse vorgestellt, sie nehmen die Impaktthese begeistert auf und freuen sich über 'ihren' Einschlag. Eine regelrechte Impaktmanie ist nun im Chiemgau ausgebrochen. Es wurde sogar ein Verein zur Unterstützung der 'Impaktforschung' gegründet und Gemeindeblätter rufen zur Mitarbeit der Bevölkerung auf, um etwa Toteislöcher und andere verdächtige Geländeformen zu melden. Selbst die Lokal- und Landespolitik stellt sich hinter dieImpaktfreunde, so kam es zu Terminen im Ministerium, Bürgermeister stellen Ausstellungsflächen in Rathäusern zur Verfügung und Lokalpolitiker freuen sich über die tourismusfördernde Wirkung eines Tüttenseekraters.
Auf der Strecke bleibt allerdings eine ausgewogene, kritische Betrachtung der geowissenschaftlichen Basis. Im Gegenteil, es wird, soweit es den eigenen Zwecken dient, systematisch die Unterhöhlung der Glaubwürdigkeit regionalgeologischer Befunde versucht. Wobei die gängige Praxis der wissenschaftlichen Diskussion insbesondere der Publikationskultur und damit der öffentlichen Stellungnahme vor einem ebenbürtigem Fachpublikum vollkommen ignoriert wird. Stattdessen geht man den Weg über die Medien und kehrt die Beweislast um. Zum großen Schaden für das Bild der Geowissenschaften in der Öffentlichkeit.

Ich möchte mit diesem Blog versuchen das Eine oder Andere wieder geradezurücken. Eines meiner Ziele ist es der Argumentation des CIRT dort auf den Zahn zu fühlen wo es vielleicht weh tun wird. Eines muss man dem CIRT aber lassen: das öffentliche Interesse an der Geologie zu wecken ist ihnen grandios gelungen. Ich möchte aber auch zeigen, daß es durchaus Spaß machen kann sich mit Geowissenschaften ganz ohne Katastrophenszenarios zu beschäftigen. Es gibt auch so viele interessante Dinge im Chiemgau zu entdecken.