Saturday, January 16, 2010

Schaudervoll hingegen war mir dieser Anblick...

Diesen wirklich schönen Text von Mathias Flurl, der in seinem 1792 erschienenen Werk 'Beschreibung der Gebirge von Baiern und der oberen Pfalz' nachzulesen ist, habe ich kürzlich gefunden. Wer würde sich heute noch trauen so- in einer wissenschaftlichen Abhandlung- zu schreiben? Er schreibt jedenfalls Folgendes über den Chiemsee:

Von Traunstein reiste ich über Seebruck nach dem grossen Chiemsee, um das Prachtvolle und Erhabene dieser Gegend näher und etwas ferner vom Gebirge zu besichtigen. Bezaubernd ist der Anblick, den man schon auf der Hochterasse über einen Berg herab nach Seebruck zu genießt, wo man in der Ferne über den grossen und weiten Spiegel des Sees die 2 Klöster, Herrn und Frauenwörth, ganz von Wasser umgeben auf ihren Inseln wie isolirt erblickt. Schaudervoll hingegen war mir dieser Anblick, als ich im stürmischen Ungewitter sein Wellen sich aufthürmen, und schäumend an die Ufer heranschlagen sah, und ihr fürchterliches Brausen und Getöse hörte.
Weh dem einsamen Schiffer, den ein solcher Sturm überfällt, er ist unwiederbringlich verlohren, denn wenn auch sein kleiner Kahn nicht an Klippen geworfen wird, die unter dem Weitsee bey Kieming am gefährlichsten sind; so steht er doch fast allezeit in der Gefahr von den Wellen zerschlagen zu werden; ja man erzählt hier Beyspiele, daß, wenn nach einem recht fürchterlichen Sturme ein solches unglückliches Schiffchen ans Land gebracht ward, die Leute darin oft an allen Gliedern zerschlagen und wie geradbrecht gefunden wurden.

3 comments:

  1. Das erinnert mich daran, wie ich des öfteren von meinen Professoren kleine Ermahnung bekam, da in vielen meiner Kartier- oder Exkursionsberichten neben dem rein sachlichen, auch einige emotionale Hinweise auf die Schönheit der Natur waren. Zum Glück gabs dafür aber keinen Punktabzug, solange alles sachlich korrekt war.

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  2. Ja, das hiess dann: Bitte keine Prosa!

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  3. Ja, genau! Selbst in meiner Diplomkartierung sind mir noch Sätze wie, "an der sonnigen und landschaftlich schönen Südseite, inmitten der Weinreben, ist folgender Aufschluss vorhanden, in dem das Gestein in seiner schönsten Ausprägung bewundert werden kann" aus der Feder gekommen. Das ist dann so scharft an der Grenze des tolerierten.

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