Wednesday, May 18, 2011

Offener Brief zum „Chiemgau-Impakt“ und zu den Aktivitäten des „Chiemgau Impact Research Teams“ in der Öffentlichkeit

Soeben wurde dieser offene Brief, den ich auch unterzeichnet habe, veröffentlicht:

Regionale Tageszeitungen (zuletzt das Traunsteiner Tagblatt vom 01.03.2011) berichteten aktuell darüber, dass der vermeintliche Chiemgau-Impakt (CI), den das Chiemgau Impact Research Team (CIRT) unter der Leitung von Prof. Kord Ernstson seit einigen Jahren in den Raum stellt, nun in der Wissenschaft international anerkannt sei. Dieser Eindruck muss entstanden sein, weil es die Vertreter der internationalen Wissenschaft leid sind, sich den andauernden Scheinargumenten und größtenteils abstrusen Nachweisversuchen des CIRT mit ebensolcher Ausdauer entgegenzusetzen. Zudem haben es die Mitglieder des CIRT einen erheblichen öffentlichen und politischen Druck aufgebaut, um ihre Ideen zu vermarkten. Umso mehr ist es uns ein Anliegen, dem Eindruck entgegenzutreten, dass die Theorie des „Chiemgau-Events“ auf einer wissenschaftlichen Basis beruhe oder einer wissenschaftlichen Überprüfung standhielte.

Das CIRT vertritt die Auffassung, dass der Einschlag eines extraterrestrischen Körpers irgendwann in der Zeit von 2200 bis 800 v. Chr. ein Kraterstreufeld mit etwa 100 Kratern im Raum zwischen Altötting und Rosenheim verursacht haben soll. Die von CIRT angeführten Belege konnten von unabhängigen Wissenschaftlern aller betroffenen Fachbereiche bisher in keinem Fall bestätigt werden. In vielen Fällen handelt es sich bei den „Belegen“ um reine Behauptungen, die nicht überprüft werden können, unter anderem weil die Lage der Fundorte des Probenmaterials von CIRT nicht genannt werden. Deutsche Fachleute wurden von CIRT zu Beginn des Impakt-Hypes noch mit Probenmaterial bedacht. Nachdem die Fachleute in dem vorgelegten Material keine Impaktspuren identifizieren konnten, ist dies nicht mehr der Fall. Ebenso problematisch ist es, dass CIRT im Internet und selbst auf öffentlich aufgestellten Tafeln in aggressiver und scheinsachlicher Weise gegen Kritiker anschreibt, anstatt den Grundlagen wissenschaftlicher Arbeit Genüge zu tun und die Materialvorlage für die Behauptungen des CIRT für jedermann zugänglich zu machen. Nachdem in den Medien regelmäßig gemeldet wird, dass der CI nun doch bewiesen und international anerkannt sei, darf gefragt werden, wo die Beweise liegen und wie man sie unter die Lupe nehmen kann. Es scheint so zu sein, dass CIRT gar nicht daran interessiert ist, den angeblichen Chiemgau-Impakt wissenschaftlich zu beweisen. Offenbar reicht es CIRT völlig aus, mit den Versprechungen einer großen Sensation und den regelmäßigen Medienattacken gegen Kritiker die ungeteilte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu gewinnen. Ungeachtet der allgemeinen Kritik aus der Impaktforschung unterstellt das CIRT mehr denn je den vermeintlichen Einschlag eines Kometen oder Asteroiden im Chiemgau und bewirbt diesen massiv in der Öffentlichkeit. Man kann jedoch Wissenschaft nicht per demokratischer Volksabstimmung machen. CIRT macht genau das - die Medien nutzend wird die Volksabstimmung durch Medienberichte ersetzt. Dabei erzeugt CIRT in demagogischer Manier eine Gefühlswolke, die einem ganz ungreifbar und wolkig vermittelt, dass da (angeblich) eine Mehrheit hinter der CI-Idee steht.

Bereits 2006 veröffentlichte eine Gruppe von über 20 international führenden Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Impaktforschung unter Führung des Museums für Naturkunde in Berlin eine Erklärung, welche die Theorie eines CI eindeutig zurückwies. Die Forschergruppe erklärte, dass keines der Kriterien zum Nachweis eines Meteoriteneinschlags erfüllt ist. Dem ist bis heute nichts hinzuzufügen. Trotz der fehlenden Beweislage werden die Mitglieder des CIRT nicht müde, ihre Argumente in fragwürdigen Journalen ohne Gutachter-System (Ernstson et al., 2010, Journal of Siberian Federal University. Engineering & Technologies; Rappenglück et al. (2009), Astronomical Society of the Pacific, ebenfalls nicht vorab begutachtet), populärwissenschaftlichen Medien und lokalen Tageszeitungen öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Herr Ernstson schrieb 2007 in dem deutschen geowissenschaftlichen Nachrichtenmedium GMit (Nr. 27), dass er den sogenannten Chiemgau-Impakt im international hervorragenden Journal „Science“ veröffentlichen würde – diesen Coup ist er uns schuldig geblieben – wie auch irgendeine andere wissenschaftlich begutachtete Publikation. An dieser Stelle sämtliche Ungereimtheiten, Scheinargumente und Fehlinterpretationen, mit denen das CIRT aufwartet, aufzuführen, würde jeden Rahmen sprengen. Die Nachweisbarkeit eines Impaktereignisses ist zudem wesentlich komplexer, als die Mitglieder des CIRT das der Öffentlichkeit darstellen möchten. Sollte CIRT ein tatsächliches Interesse an einer Untersuchung ihrer Befunde haben, sollten sie ihre Gesteinsproben mit angeblichen Schockeffekten anerkannten Impaktforschern zur Untersuchung vorlegen.

Anlass zur Besorgnis gibt der Umstand, dass die lokale Politik den CI als Vermarktungschance gewittert hat und damit der tatsächliche Ursprung des Tüttensees (und weiterer als Einschlagskrater fehlinterpretierte Seen in Oberbayern) offenbar unwichtig ist. Vom Standpunkt des Tourismusmanagers aus ist ein Impaktkraterfeld sicherlich leichter zu vermarkten, als eiszeitlich geschaffene Geländevertiefungen. Letzteres ist jedoch die Realität, was das Bayerische Landesamt für Umwelt, Abteilung Geologie (LfU), kürzlich mitels absoluter Datierungen zweifelsfrei nachgewiesen hat. Ablagerungen im Tüttensee haben demnach ein absolutes Alter, das der letzten Eiszeit in Süddeutschland entspricht und nicht dem wesentlich jüngeren Alter des behaupteten CI. Erwartungsgemäß sind auch diese harten Fakten vom CIRT nicht anerkannt worden. Auf der Homepage des CIRT werden die bekannten abstrusen Gegenerklärungen formuliert und die Kollegen des LfU wie gewohnt verhöhnt. Der Eifer des CIRT würde keinen großen Schaden anrichten, das Engagement „pro Chiemgau-Event“ der Politik dagegen ist gefährlich. Die Öffentlichkeit, die sich auf das Urteil ihrer Volksvertreter verlassen muss, wird getäuscht. Steuergelder werden für ein Projekt verschwendet, das bestenfalls auf Fehlinterpretationen beruht und über kurz oder lang entlarvt werden wird.

Der Nachweis neuer Meteoritenkrater auf der Erde ist der Gemeinde der Impaktforscher äußerst willkommen, da jede neue Impaktstruktur gleichzeitig neue Einblicke in das irdische Einschlagsgeschehen gibt. Beispielsweise wurde im Jahre 2008 ein bislang unbekannter Einschlagskrater in der Steinwüste Jordaniens entdeckt, der in Größe und Form dem Steinheimer Becken in Süddeutschland ähnlich ist. Bei dieser Struktur wurden die geforderten Kriterien für den Nachweis eines Impakts durch ein jordanisch-deutsches Forscherteam erbracht und 2009 wurde in Jordanien eine internationale Tagung organisiert, bei der sich die versammelten Wissenschaftler aus allen fünf Kontinenten vor Ort überzeugen konnten; diese Struktur ist seither international als Impaktkrater anerkannt. Es gibt also keinen Grund, den CI nicht als solchen anzuerkennen, außer dem, dass es keinen einzigen Beweis oder auch nur schlüssige Argumente dafür gibt.


Unterzeichner:


PD Dr. Elmar Buchner, Institut für Planetologie, Universität Stuttgart, ab 01.07.2011 Leiter des Rieskrater-Museums Nördlingen
Dr. Ulrich Blaess, Institut für Geowissenschaften, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Dr. Robert Darga, Leiter des Naturkundemuseums Siegsdorf
Prof. Dr. Karl Thomas Fehr, Department für Geo- & Umweltwissenschaften, Sektion Mineralogie, Petrologie & Geochemie, LMU München
PD Dr. Stefan Götz, Institut für Geowissenschaften, Universität Heidelberg und Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Dr. Kurt Heißig, Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie, München
Dr. Rupert Hochleitner, Hauptkonservator, Stellvertretender Direktor Mineralogische Staatssammlung München
PD Dr. Lutz Hecht, Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut an der Humboldt-Universität Berlin
Dr. Robert Huber, Marum, Zentrum für marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
Prof. Dr. Christian Köberl, Head of the Department of Lithospheric Research University of Vienna and Director General, Natural History Museum Vienna
Prof. Dr. Wolf-Uwe Reimold, Museum für Naturkunde – Leiter des Leibniz-Instituts an der Humboldt-Universität Berlin
Dr. Martin Rundkvist, Department of History and Archaeology, University of Chester
Dr. Martin Schmieder, Institut für Planetologie, Universität Stuttgart
Prof. em. Dieter Stöffler, Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut an der Humboldt-Universität Berlin
Prof. Dr. Mario Trieloff, Institut für Geowissenschaften, Universität Heidelberg
Dr. Kai Wünnemann, Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut an der Humboldt-Universität Berlin

Wednesday, May 4, 2011

Wie kommen die Löcher in den ... Sandstein?

Während eines Osterausflugs auf die Burg Hirschhorn bei Heidelberg, fielen mir kürzlich Unmengen von kleinen Löchern und Gruben auf den verwitterten Außenmauern dieser Festung auf. Sie wurden aus lokalen Vorkommen von Buntsandstein erbaut, der in der Gegend von Heidelberg ziemlich dominant ist.

Löcher auf Verwitterungsflächen dieses Buntsandsteins sind dort ein gut bekanntes lokales Phänomen. Sie entstehen durch die Auswitterung weicherer Bestandteile des Sandsteins. Meist sind dies kleine Tongallen, die im Laufe der Ablagerung scherbenartig in den Sandstein eingelagert wurden. Der Sedimentationszyklus wurde hier eingeleitet von Tonablagerungen in ruhigem Stillwasser. Wenn sich die Dynamik des Ablagerungsmilieus änderte und die Bodenströmung stärker wurde, konnte die frische Tonkruste brechen und die Scherben wurden weggeschwemmt. Während des Transports wurden sie gerundet, schließlich abgelagert und in den Sandstein eingearbeitet.
Diese Stellen sind nun besonders anfällig und fallen daher der Verwitterung zuerst zum Opfer.

In unmittelbarer Nähe der Burg befinden sich ein paar Aufschlüsse wo man ohne denkmalpflegerische Bedenken ein paar Handstücke sammeln kann. Im frischen Bruch sieht man sehr gut die dichteren und dunkleren Konturen der Scherben des tonigen Materials in sandiger Matrix. Auf der jungen Verwitterungsfläche kann man auch noch schön die Umrisse der herausgelösten Tongallen erkennen. Man kann sich leicht vorstellen, dass diese Löcher nach einiger Zeit die Konturen verlieren und die typische, runde Form annehmen.

Solche Löcher, auf einem einzelnen Kleinstfund von Sandstein aus dem Chiemsee, wurden jüngst recht verwegenen zu Schmelzerscheinungen erklärt. Wie albern diese Deutung ist, wird leider erst richtig deutlich, wenn man solche Phänomene in größerem Zusammenhang sieht. Niemand würde auf die Idee kommen die Löcher auf den Burgmauern durch kosmischen Beschuss zu erklären.