Friday, March 9, 2012

Der Chiemsee Tsunami in der wissenschaftlichen Diskussion

Gleich zwei neue Publikationen zum Chiemgau Impakt wären fast meiner Aufmerksamkeit entgangen, die kürzlich erschienen sind bzw. im Druck sind.

Liritzis et al. (2011) schreiben unter einem ziemlich reißerischen Titel (The Chiemgau Meteorite Impact And Tsunami Event ...) über Datierungsversuche an Material das aus einer archäologischen Grabungsstätte bei Stöttham nahe Chieming entnommen wurde. Wie ich in einem früheren blog geschrieben habe, will CIRT dort eine Katastrophenschicht erkannt haben, die durch einen Einschlag im Chiemsee, und folgendem Tsunami, entstanden sei. Der Artikel ist insofern ziemlich schräg, da Liritzis den Einschlag als gegeben bzw. bewiesen nimmt und die Anwendbarkeit der Methodik der OSL Datierung auf ein Impakt+Tsunami Szenario untersuchen will. Das klappte aber wohl nicht wie geplant, denn die Alter, die Liritzis et al. ermittelt haben liegen im 2 Jahrtausend vor Chr. - zu alt um ins Phaeton-Konzept zu passen. Weshalb die Autoren auch ein wahnsinnig komplexes Szenario entwerfen müssen, warum die Alter nun doch überschätzt sein sollen, die Details dazu können Sie hier finden.

Vielleicht stimmen ja aber die ermittelten Alter, denn wie bereits Darga (2009) festgestellt hat handelt es sich bei der sogenannten Katastrophenschicht um Kolluvium. Wir werden in dieser Frage aber bald auf weitere Informationen hoffen dürfen, denn es ist ein weiterer Artikel von einer anderen Arbeitsgruppe um Jörg Völkel dazu in Druck.
Eine Kurzfassung des Textes ist bereits im Netz zu finden. Demnach deuten diese Autoren die Stöttham Sedimente als kolluviale Füllung eines glazialen Bypasskanals. Ihre sedimentologischen, bodenkundlichen und chronologischen Befunde sprechen offenbar deutlich gegen die Impaktthese.

Ach ja und noch etwas, was Hans Lauterbach freuen wird, denn in Liritzis Artikel findet sich noch die Bemerkung:
The diamictite is assumed to have originated from a meteorite impact into Lake Chiemsee that produced a doublet crater of about 900 x 400 m size at the lake bottom roughly 1 km apart from the excavation site
Das deckt sich mit Hans Vermutung über die Lage des geheimnisvollen "Chiemseekraters": beim Kaiser...

Literatur:

Jörg Völkel, Andrew Murray, Matthias Leopold, and Kerstin Hürkamp (in press). Colluvial filling of a glacial bypass channel near the Chiemsee (Stöttham) and its function as geoarchiv. Zeitschrift für Geomorphologie

I. Liritzis , N. Zacharias, G.S. Polymeris, G. Kitis, K. Ernstson, D. Sudhaus, A. Neumair, W. Mayer, M.A. Rappenglück, B. Rappenglück (2011). The Chiemgau Meteorite Impact And Tsunami Event (Southeast Germany): First Osl Dating. Mediterranean Archaeology & Archaeometry. Vol. 10, No. 4, pp. 17‐33

Darga, R. (2009). Der Chiemgau-Impakt eine Spekulationsblase Oder: Der Tüttensee ist KEIN Kometenkrater. In: Auf den Spuren des Inn-Chiemsee-Gletschers, Ed. Darga & Wierer, Wanderungen in die Erdgeschichte 27