Tuesday, May 14, 2013

Chiemit: ein Gestein aus dem Kohlenkeller?

Bereits im letzten Jahr wurde in der Lokalpresse über den Fund eines angeblich neuen, einzigartigen Chiemgauer Gesteins berichtet. Dieser sogenannte Chiemit wurde feierlich mit Urkunde und Probestück dem stellv. Landrat Konhäuser überreicht und sollte über sagenhafte Eigenschaften verfügen (exotische Materie, härter als Diamant, enthält Silber und so weiter...).

Mehr Informationen zum Chiemit, bzw. dem zugrunde liegendem Material kann man einem Abstract russischer Forscher entnehmen, das vorläufige Untersuchungsergebnisse zum Chiemit enthält (Shumilova et al., 2012). Und das ist wirklich interessant, denn die Autoren wollen im untersuchten Material sehr ungewöhnliche Kohlenstoffmodifikationen, nämlich Carbyne, gefunden haben. Dieses exotische, langkettige Kohlenstoffallotrop wird als möglicher Bestandteil von kosmischem Staub angenommen bzw. soll unter den Bedingungen eines Meteoriteneinschlages als schockmetamorphes Produkt entstehen. Das erklärt wohl das große Tamtam, das die CIRT Leute um diese Entdeckung gemacht hat.

Allerdings ist in der Fachwelt mehr als umstritten ob es solche natürlichen Vorkommen von Carbyne überhaupt gibt (e.g. Smith & Buseck, 1982). Der Haken an diesen langkettigen Molekülen ist nämlich, dass sie extrem instabil sind. Sie würden sofort wieder, und zwar explosiv zerfallen - wenn es sie gäbe. Ein Umstand der den Nobelpreisträger und Kohlenstoffexperten Harry Kroto (2010) zu ziemlich deutlichen Worten veranlasst hat: ”The existence of carbyne is myth based on bad science and perhaps even wishful thinking”.

Nun sind diese exotischen Moleküle also in Proben vom Chiemsee und dem Rauschberg bei Ruhpolding gefunden worden. Wobei das Material in großen Brocken und zudem noch recht häufig aufzufinden ist. Was allein schon seltsam ist, musste man denn bislang derart exotische Materie eher mit der Lupe bzw. wissenschaftlichem Großgerät, suchen. Im Chiemgau wurde das Material jetzt aber in solchen Mengen gefunden, dass sogar den russischen Forschern eine Erklärung für die Herkunft des Ausgangsprodukts schwerfiel. Denn um so viel Chiemit durch Schockmetamorphose zu erzeugen, muss ja Kohlenstoff in entsprechenden Mengen am Einschlagspunkt vorhanden gewesen sein.

Jedenfalls stand so viel Material zur Verfügung, dass Teile davon auf Ebay hoffnungsfroh zur Versteigerung angeboten wurden! Diese Angebote wurden zwar wieder zurückgezogen, allerdings blieb uns daraus gutes Bildmaterial (das ich hier als Bildzitat verwende) des angebotenen Chiemits erhalten, das tief blicken lässt.

Abbildung 1. Chiemit auf Ebay angeboten von ‘savali2’ unter der Bezeichnung “Chiemit - Chiemgauer Komet mit Expertise”, http://www.ebay.de/itm/ws/eBayISAPI.dll?ViewItem&item=120922132918 


Denn wenn man sich das dort angebotene Material ansieht, fallen sofort die 3 parallelen, sehr geraden Längskanten auf. In der Abbildung ist außerdem ein rechteckiger Querschnitt des Probenstücks angedeutet. Insgesamt lässt sich gut auf eine ursprünglich längliche Quaderform des Materials schließen, die ich so von einem kontaktmetamorphen, angeblich amorphen Produkt nicht unbedingt erwarten würde. Dazu sind noch Masse von ca. 8 cm angegeben worden, wenn damit die Länge gemeint ist, heißt das, dass der Querschnitt etwa 5-6 cm betragen dürfte.

Quaderförmiger Kohlenstoff, das klingt doch vertraut oder? Ich kenne solche Stücke aus Omas Kohlenkeller: als handelsübliche Kohlebriketts.

Zwar haben die russischen Forscher vergleichende Untersuchungen mit Kohlen vorgenommen, allerdings habe sie Probenmaterial aus der Severnaya Mine in Russland benutzt. Nicht zum Vergleich herangezogen haben sie lokal übliche Kohlen oder gar industriell aufbereitete Kohle. Also etwa Koks der wie Chiemit eine ausgesprochen poröse Textur aufweist.

Ist Chiemit also schlicht verwittertes Koksbrikett? Nun, nachdem im Chiemgau Impakt Kontext schon mehrmals Industrieprodukte mit Impaktprodukten verwechselt wurden, drängt sich dieser Verdacht förmlich auf. Jedenfalls weisen Vorkommen, Form, Größe und Textur darauf hin. Vielleicht findet sich ja sogar noch eine Herstellerprägung auf einem Chiemitstück und man kann auf weitergehende Untersuchungen verzichten. 


Literatur:

Smith, P.P.K. & Buseck, P.R. (1982): Carbyne Forms of Carbon: Do They Exist?. SCIENCE, Vol. 216, pp. 984-986

Shumilova, T. G., Isaenko S. I., Makeev B. A., Ernstson K., Neumair A., Rappenglück M. A. (2012): Enigmatic Poorly Structured Carbon Substances from the Alpine Foreland, Southeast Germany: Evidence of a Cosmic Relation. 43nd Lunar and Planetary Science Conference, p. 1430

Kroto, H. (2010): Carbyne and other myths about carbon. CHEMISTRY WORLD, Vol. 7 (11), p. 37