Friday, November 13, 2009

Zur Entstehung der Furchensteine vom Chiemsee


Die auffälligen, von labyrinthisch gewundenen Kanälen und Löchern durchzogenen Furchensteine findet man sehr häufig an den Ufern des Chiemsees. Dort werden sie ihres Aussehens wegen auch 'Hirnstoa' (Hirnsteine) genannt. Furchensteine sind überaus weit verbreitet, so sind zum Beispiel Funde aus der Schweiz, Österreich Dänemark oder Kroatien dokumentiert. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wurden dieses Phänomen in Schweizer Seen beobachtet und wissenschaftlich beschrieben. In den ersten Arbeiten zu diesem Thema wurden noch Muscheln oder Insektenlarven als alleinige Verursacher der Furchen angenommen. Man beobachtete aber bereits früh, dass diese Furchen stets unter einer tuffartigen, kalkigen Kruste, auf den sogenannten Krustensteinen, vorkommen. Daher vermutete man, diese Kalkkruste sei mitverantwortlich für die Entstehung der Furchen. Und tatsächlich sind die Prozesse der Krusten- und der Furchenbildung eng miteinander verknüpft.
Hauptverantwortlich für die Bildung der Kalkkrusten sind vor allem die sogenannten Cyanobakterien, die in der Lage sind selbst Kalk zu bilden. Diese Cyanobakterien sind nämlich in der Lage neben CO2 auch HCO3- zur Photosynthese zu nutzen. Dadurch erhöhen sie den pH Wert und der Alkalinität zwischen ihren Filamenten erheblich und fördern dadurch die Ausfällung von Kalk. Das funktioniert natürlich nur, wenn im Seewasser diese gelösten Karbonate auch ausreichend zur Verfügung stehen. Dafür sorgen im Chiemsee die Wässer aus den nahen Kalkalpen sowie die kalkreichen glazialen Sedimente der Umgebung und deren Verwitterungsprodukte. Daneben ist ein erheblicher Anteil der Kalkkruste aber auch durch eingefangene Partikel zurückzuführen, die sich in den Filamenten oder Schleimhülle der Cyanobakterien verfangen und zu einer zusätzlichen Verfestigung der Kruste beitragen. Das Ergebnis ist eine dichte, knollige, kalkige Kruste die sich aus kleinen Höckern und Flecken zusammensetzt, die durchaus an Miniaturriffe erinnern.
Eine gut ausgebildete, höckerige Kruste erinnert ein wenig an einen Blumenkohl. Zwischen den einzelnen ‚Röschen’ finden innerhalb der Kruste korrosive Vorgänge die besten Ansatzpunkte die zur Ausbildung des charakteristischen Furchenmusters führen. Das Substrat ist in diesen Zwischenräumen ja noch am anfälligsten, denn an der Basis der Büschel ist die Kalkkruste stärker verfestigt und bildet daher besseren Schutz.

Aus: Schneider et al., 1983
Der Prozess der Furchenbildung wird nun wieder von Cyanobakterien eingeleitet. Einige dieser an der Bildung der Kalkkruste beteiligten Organismen sind nämlich in der Lage, sich in kalkiges Gestein unter der Kruste zu bohren. Sie werden hierbei auch von einigen bohrenden Pilzarten unterstützt. Diese so genannten Endolithen schaffen damit die Vorraussetzung zur Entstehung der Furchen, da sie den Untergrund der Krusten anbohren und entscheidend schwächen. In die Kruste eindringende, weidende Tiere, wie Schnecken oder manche Larven schädigen den Untergrund dann weiter. Sie nagen quasi an den bereits gelockerten Stellen und höhlen damit die Furchen weiter aus. Zusätzlich findet in den entstandenen Hohlräumen auch anorganische Kalklösung statt. Verrottende organische Reste führen hier zu einer lokalen Versauerung der enthaltenen Wässer und entfalten damit zusätzlichen korrosive Kräfte.
Die Furchensteine vom Chiemsee sind also das Ergebnis komplexer biologischer und anorganischer korrosiver sowie biologischer abrasiver Vorgänge, die verblüffenderweise in engem Zusammenhang mit der Bildung von Kalk auf diesen Steinen stehen. Alle hier beschriebene Prozesse lassen sich am Chiemseeufer hervorragend beobachten, ein paar Bilder dazu habe ich ja bereits in einem anderem Artikel hier gezeigt. Mehr schöne Bilder von Furchensteinen aus dem Chiemsee findet der interessierte Leser im 'alles Furche oder was' Blog von Rimbao. Und hier noch eine Liste weiterführender Literatur:
Gaudin, (1865). Note sur certain galets des bords du lac de Geneve. Bull. de l. Soc.Geolog. Vaudoise.
Boysen Jensen, P. (1909).Über Steinkorrosion an den Ufern von Fureso . Int.
Rev. Ges. Hydrobiol., 2: 163-173.
Kann, E. (1941). Krustensteine in Seen. Arch. Hydrobiol., 37: 504±532.
Golubic, S. (1962). Zur Kenntnis der Kalkinkrustation und Kalkkorrosion im
Seelitoral. Schweiz. Z. Hydrobiol., 24: 229-243.
Schröder, H.G. (1982). Biogene benthische Entkalkung als Beitrag zur
Genese limnischer Sedimente. Beispiel: Attersee (Salzkammergut; Oberösterreich). Dissertation, Göttingen. 179 pp.
Schneider, J. Schröder, H.G. & Le Campion-Alsumard, T. (1983). Algal
micro-reefs : coated grains from freshwater environments. In Coated
Grains (Peryt, T.M., editor), 284-298. Springer, Berlin.
Schneider, J. & Le Campion-Alsumard, T.(1999). Construction and destruction of carbonates by marine and freshwater cyanobacteria. Eur. J. Phycol., 34: 417-426

2 comments:

  1. Schön erklärt.

    Der Link zu Rimbao geht übrigens nicht. Es ist der selbe, wie zu deinem anderen Artikel.

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  2. Hallo Robert..
    vielen Dank für die aufschlussreiche Erklärung..
    in Chieming werden immer im Sommer Exkursionen angeboten die sich mit dem Thema "Furchenstein" beschäftigen
    siehe:
    http://www.chiemsee.de/de/tour-7-eiszeit-und-wellenschlag

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