Was ist eigentlich der Chiemgau Impakt? Die deutsche Ausgabe der Wikipedia erläutert hierzu: 'Der Chiemgau-Impakt ist der hypothetische Einschlag eines Kometen, der nach dem Eindringen in die Erdatmosphäre in der Luft explodiert sein soll und dessen Trümmer angeblich im Chiemgau niedergingen'.
Der Öffentlichkeit wurde dieses Ereignis erstmals 2004 in der populärwissenschaftlichen Zeitschrift Astronomy in einem Artikel mit dem Titel: 'Did the Celts see a comet impact in 200 b.c.' vorgestellt. Die Autoren, die unter dem Pseudonym 'CIRT' auftraten, postulierten aufgrund verschiedener Indizien in Südostbayern ein ausgedehntes Kraterfeld mit mindestens 81 Einzelkratern. Diese Krater sollten durch die Einschläge von Fragmenten eines großen, in der Atmosphäre zerborstenen Asteroiden oder Kometen entstanden sein und eine Fläche von 58x27 Kilometern einnehmen. Auch der Tüttensee, ein schöner Badesee im Chiemgau soll einer dieser Krater sein. Der Einschlag soll entsprechende katastrophale Folgen nach sich gezogen haben, zeitlich wurde dieses Katastropheszenario etwa in die Keltenzeit, vor etwa 2500 Jahren, eingeordnet. Diese Veröffentlichung zog ein bemerkenswertes Presseecho nach sich und zahlreiche Artikel erschienen in Tageszeitungen und Wochenzeitschriften. Das Medieninteresse war so groß, daß auch einige Fernsehberichte entstanden, die das Thema teilweise etwas bunt ausschmückten.
Interessanterweise hat diese Nichtveröffentlichung von Ergebnissen die Folge, daß der so genannte Chiemgau Impact für die Fachwelt gar nicht existiert. Durch das Medienecho sah man sich aber gezwungen Stellung zu beziehen. Die Creme der Impaktforscher hat sich geschlossen gegen eine Impaktthese ausgesprochen und dies in einer Presseerklärung verbreitet was eine heftige Reaktion desCIRT auslöste. Spätestens seitdem werden Einwände gegen die Impaktthese scharf kritisiert und auf der Chiemgau Impakt homepage teils sehr polemisch abgehandelt.
Der unerfreuliche Umgang mit Kritikern liegt wohl zum größten Teil an den wenig belastbaren Indizien der Impaktthese. Hier wurden selbst eindeutige geologische Befunde nach Gusto umgedeutet. So werden etwa Toteislöcher zu Einschlagskratern oder Bodenhorizonte zu Impaktlagen erklärt und äußerst dickhäutig verteidigt. Die Argumentationskette des CIRT läuft dazu meist nach dem Muster: eine andere Erklärung für dieses oder jenes Phänomen als einen Impakt könne man sich nicht vorstellen und man möge ihnen doch bitte das Gegenteil beweisen.
Diese so genannten Beweise werden den Chiemgauern in zahlreichen Vorträgen und in der Lokalpresse vorgestellt, sie nehmen die Impaktthese begeistert auf und freuen sich über 'ihren' Einschlag. Eine regelrechte Impaktmanie ist nun im Chiemgau ausgebrochen. Es wurde sogar ein Verein zur Unterstützung der 'Impaktforschung' gegründet und Gemeindeblätter rufen zur Mitarbeit der Bevölkerung auf, um etwa Toteislöcher und andere verdächtige Geländeformen zu melden. Selbst die Lokal- und Landespolitik stellt sich hinter dieImpaktfreunde, so kam es zu Terminen im Ministerium, Bürgermeister stellen Ausstellungsflächen in Rathäusern zur Verfügung und Lokalpolitiker freuen sich über die tourismusfördernde Wirkung eines Tüttenseekraters.
Auf der Strecke bleibt allerdings eine ausgewogene, kritische Betrachtung der geowissenschaftlichen Basis. Im Gegenteil, es wird, soweit es den eigenen Zwecken dient, systematisch die Unterhöhlung der Glaubwürdigkeit regionalgeologischer Befunde versucht. Wobei die gängige Praxis der wissenschaftlichen Diskussion insbesondere der Publikationskultur und damit der öffentlichen Stellungnahme vor einem ebenbürtigem Fachpublikum vollkommen ignoriert wird. Stattdessen geht man den Weg über die Medien und kehrt die Beweislast um. Zum großen Schaden für das Bild der Geowissenschaften in der Öffentlichkeit.
Ich möchte mit diesem Blog versuchen das Eine oder Andere wieder geradezurücken. Eines meiner Ziele ist es der Argumentation des CIRT dort auf den Zahn zu fühlen wo es vielleicht weh tun wird. Eines muss man dem CIRT aber lassen: das öffentliche Interesse an der Geologie zu wecken ist ihnen grandios gelungen. Ich möchte aber auch zeigen, daß es durchaus Spaß machen kann sich mit Geowissenschaften ganz ohne Katastrophenszenarios zu beschäftigen. Es gibt auch so viele interessante Dinge im Chiemgau zu entdecken.
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